Der FC St. Pauli ist ja bekanntermaßen ein „linker“ Verein, der das nicht nur unter den AnhängerInnen, sondern auch innerhalb der Mitgliederschaft und der Vereinsstrukturen lebt und auch gerne öffentlichkeitswirksam zeigt.
Über „Links“ und „Rechts“ als politische Haltung gibt es unendlich viel zu sagen und noch mehr zu lesen, aber das hier ist kein Fachblatt für politische Bildung und obwohl ich relativ sattelfest über Politik diskutieren kann, möchte ich hier lediglich die landläufige Interpretation von „Links“ verwenden, weil es für das, was ich sagen möchte auch völlig ausreicht.
„Links“ ist in allererster Linie Solidarität, soziale Gerechtigkeit und Gleichheit, häufig begleitet von einer kapitalismuskritischen und progressiven Haltung. So weit, so einfach. In unserer freiheitlichen-demokratischen Grundordnung, die das Grundgesetz gebietet und auch schützt, sind Solidarität, Gerechtigkeit und Gleichheit unverhandelbar. Es sind nebenbei auch die Grundpfeiler der meisten Religionen und meistens auch Teil unseres angeborenen und kulturellen Moralkompasses. Kapitalismuskritik und Progressivität, bzw. deren Ausprägungen sind sicher diskussionswürdig. Mit Blick auf Solidarität, Gleichheit und Gerechtigkeit als oberste Ziele, stellt sich die Frage nicht nach dem „ob“, sondern nur nach dem „wie“.
Sorry für die Einleitung, aber die ist wichtig, um zu verstehen, warum es mich gerade so dermaßen ankotzt, dass ich das hier ins Internet schreiben muss:
Die Rivalität zum FC St. Pauli kann nicht sein, dass mensch Plakate mit „Lichtenhagen“ in Frakturschrift mit Sonnenblumen demonstrativ mit hämischem Grinsen zusammen mit einschlägig vorbestraften Tätern zur Schau stellt. Dass mensch Plakate mit „Kategorie CIS“ zeigt und Regenbogenfahnen verbrennt. Allein das Anrücken in Bomberjacken (das Erkennungszeichen der Naziszene in den Baseballschlägerjahren der 90iger) entspringt einer Haltung, die in keiner Weise irgendeinen Gegenpol, irgendeine Opposition oder gar eine andere Meinung gegenüber irgendwas darstellen kann.
Aber auch in Magdeburg oder Dresden, stellen sich immer wieder Personen mit eindeutiger Gestik und Artikulation auf, um irgendeine Gegenposition zu skandieren, die in keiner Weise gesellschaftliche Akzeptanz, vor allem nicht in Deutschland, erfahren sollte. Und auch hier schreitet keine verantwortliche Person ein oder verurteilt und sanktioniert dieses Verhalten entsprechend. Im Gegenteil, solche Vereine verweisen immer gerne darauf, dass sie so wahnsinnig tolerant sind und für andere Werte stehen. Toleranz ist eh‘ ein großer Mist und wird i.d.R. nur gegenüber den eigenen Schwachköpfen gelebt. Die Akzeptanz dieser Werte einzufordern, weil diese eben nicht verhandelbar sind, fällt den verantwortlichen Personen gar nicht erst ein.
Um es noch deutlicher zu sagen: Wer meint, dieses Verhalten als „Fanrivalität“ verharmlosen zu müssen, der ist eine ausgesprochener GegnerIn der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung oder hat diese einfach nicht kapiert und sollte entsprechend gemaßregelt werden, zumindest sollte die Person nicht in öffentlichen Ämtern und Positionen sprechen und handeln dürfen.
Ich bin es zunehmend leid mir diesen Bockmist von Behörden, PolitikerInnen, Medien und Verbands- sowie VereinsfunktionärInnen anhören zu müssen (und das richtet sich auch gegen die „eigenen“). Wir können darüber diskutieren wieviel Kommerz wir wollen, ob wir 3G-Regeln beibehalten oder an die Vernunft appellieren. Wir können uns in sportlicher Rivalität auseinandersetzen und gerne in gewissem Rahmen Lokalpatriotismus zelebrieren. Aber wer den Grundkonsens des menschlichen Zusammenlebens in unserer Gesellschaft in Frage stellt, weil er/sie unbedingt „dagegen“ sein will, der gehört nicht in die Öffentlichkeit und sollte mit entsprechenden Sanktionen belegt werden.
Den rechten Arm heben und „Sieg Heil“ brüllen ist keine Meinung, ist keine Opposition und keine Rivalität, es ist eine Straftat und das sollte allen Verharmlosern, Beschwichtigern und altmodischen Hufeisenfans klar sein.
Diese Pressemitteilung der Rostocker Polizei könnt Ihr getrost als Lüge abheften und diejenigen, die das abschreiben sind Vollidioten!
Dass sich Hansa-Fans und wir uns nicht liebhaben, ist der älteste Hut der Welt. Ich könnte jetzt endlos darüber schwadronieren, warum das so ist, aber hier die (stark vereinfachte und schwarz-weiße) Kurzform: 87% der Hansa-Fans sind wahrscheinlich völlig i.O. und man könnte in sportlicher Rivalität verbunden sein, aber 13% sind Vollidioten, von denen sich dieser Kackverein nie wirklich distanziert hat. Wie auch immer, im Jargon der Staatsmacht heißt sowas dann eben „Hochrisikospiel“ und ist eine willkommene Gelegenheit mal das gesamte Repressionequipement zu entstauben und in Bürgerkriegsmanier zu platzieren. Zusammen mit einem (laut Verlautbarung) Personalaufwand von 1.450 Träger*innen hoheitlicher Gewalt, davon ca. 99,9% vertrauenserweckend gekleidet wie Lord Helmchens Spacemarines für die 1:1 Betreuung der anreisenden Fans. Das Ganze noch mit Hub-Hub-Hubschraubereinsatz, aber wenn interessiert schon Klimakatastrophe und hohe Spritpreise.
Anstoß um 20.30h, damit die Pyroshow noch besser in Szene gesetzt wird und sich Sky- und DSF-Reporter wieder mit Kriegsrhetorik profilieren und DFL und Innenminister ihrem Ziel Ticketpersonalisierung (Überwachung) und 100% Sitzplätze (teurer – mehr Profit) wieder einen Millimeter näherkommen.
Gut, fairerweise ist 20.30h für Auswärtsfahrer wie uns nicht so schlecht, denn man muss nicht zu nachtschlafender Zeit aufstehen und schon zum Frühstück Bier trinken. Zumal Berlin – Rostock in etwa die gleiche (zeitliche) Entfernung aufweist wie Grünau – Spandau mit dem ÖPNV.
Die Anreise war kurzweilig und die Ankunft in Rostock unproblematisch. Wir waren etwas spät (nicht zu spät), deshalb war der Einstieg und Transfer zum Stadion mit den Shuttlebussen auch relativ entspannt. Dass man Busse zu Pandemiezeiten vollstopfen muss, anstatt einfach einen mehr hinzustellen, nun gut … Herr Lauterbach, bei der nächsten Pandemie bilden Sie bitte ein Superministerium mit dem Innenresort, denen ist nämlich unsere Gesundheit von jeher scheißegal. St. Pauli-Fans sind alle geimpft und geboostert, da hat unser Verein nie einen Kompromiss gemacht, warum auch? Wir passen eben aufeinander auf und schützen uns und andere (im Gegensatz zu siehe oben). Dann hinein ins Stadion und da beginnt gleich die erste Grütze …
Im Ostseestadion befinden sich Heimfans und Gästefans in der gleichen Kurve (ich habe mir sagen lassen, dass das in Sandhausen auch so ist, aber hey, da trinkt man vermutlich auch Wein, statt Bier im Stadion). Getrennt durch eine blickdichte Plexiglasscheibe, die ca. 50-100 Gästefans dermaßen sichtbehindert, dass ein kompletter Torraum nicht einzusehen ist. Für diesen Unsinn zahlt man aber den gleichen Preis, wie für den Rest des Blocks. Danke für nichts, kann man da nur sagen. Diese Idiotie führt dann eben genau zu dem, was dann passierte:
Der Catering- und Toilettenbereich des Gästefanblocks, wird durch eine Garagentorkonstruktion aus Aluminium vom Block der Heimfans getrennt und anscheinend gibt es auf deren Seite keine Ordner oder sonstiges Sicherheitspersonal. Also begann unmittelbar neben dem Cateringstand ein infernalischer Lärm, den Hansafans mit Tritten und Schlägen gegen eben jenes Garagentor hervorriefen. In einem Horrorfilm würde man jeden Moment das Brechen des Tores annehmen und eine Herde Zombies strömt aus dem Durchbruch. Ich kann die Stabilität des Tores nicht einschätzen, aber die beständige Lärmkulisse war dermaßen bedrohlich, dass sich die Menge der Gästefans immer mehr auf die andere Seite verlagerte. Neben dem Cateringsstand war dann auch noch die Damentoilette und auch hier war zu spüren, dass das Bedrohungsgefühl immer stärker wurde. Plötzlich flogen Leuchtkugeln und Böller in die Menge, diese wurde offensichtlich vom Gelände unterhalb des Heimblocks nach oben in den Servicebereich des Gästeblock geworfen. Die Leuchtkugeln trafen auch Personen, aber zum Glück nur an der Kleidung und ohne diese zu entzünden. Mehrere Böller explodierten in dem überdachten Bereich und verursachten (vorübergehende?) Hörschäden. Die Menge flüchtete dann mehrheitlich auf die andere Seite des Servicebereichs oder in die Toiletten. Ein Teil ging zurück in den Innenraum und ein Teil flüchtetet nach unten in den ersten Vorhof, von welchem sie auch vom Nachbargelände aus mit Pyrotechnik beschossen wurden. Zwei Zehntschaften Polizei hielten es nicht für notwendig sich um die Verursacher zu kümmern, sondern standen entweder passiv herum oder waren damit beschäftigt Gästefans zu drangsalieren. Auch die Ordner im Servicebereich machten keine Anstalten irgendetwas zu unternehmen, obwohl sie offensichtlich über ein Kommunikationssystem verbunden waren.
Ich war zu diesem Zeitpunkt zwischen Servicebereich und Vorhof, also mittendrin und versuchte mit einigen anderen allzu hitzige eigene Fans zu beruhigen. Es wird aus den eigenen Reihen berichtet, dass St. Pauli Fans Böller zurückgeworfen hätten. Das habe ich nicht beobachtet, aber kann es auch nicht bestreiten. Nur so viel: Wir hatten mit dem Servicebreich und den Toiletten ein räumlich sehr begrenztes und überdachtes Areal zum Ausweichen, die Angreifer hingegen einen kompletten Parkplatz. Wenn hier also von „gegenseitigem Bewerfen“ die Rede ist, dann wird hier ein sehr ungleiches Bild gezeichnet. Die Hansafans beschossen ein Menschenmenge.
(Einwurf: Gerechterweise muss man natürlich sagen, dass es auch bei unseren Fans Idioten gibt, die Ihren Machismo in solchen Momenten voll ausleben. Natürlich ist es kindisch als Reaktion auf die Gewalteinwirkung auf das Garagentor, da auch noch dagegenzutreten. Die zwei Deppen wurden aber relativ schnell eingehegt. Ebenso ist es ziemlich lächerlich auf einen Zaun zu klettern und so zu tun, als wolle man einen Gegenangriff starten, dabei aber einsehen muss, dass man nicht mal so eben neun Meter runterspringen kann und dann stattdessen auf einen Wellblechverschlag einprügelt. Was ist der Sinn? Rasseln gegen Dämonen?
Und ja, Pyrotechnik zurückwerfen ist auch nicht wirklich schlau, wenn es denn so gewesen ist. Sich und die eigenen Fans zu verteidigen, dass rechne ich USP hoch an, aber die paar Trottel, die meinen im Stadion ein Ackermatch austragen zu wollen, sollten sie besser selbst einfangen.)
Der ganze Beschuss hielt etwa 10 Minuten an, ohne dass irgendjemand der Spitzenbullen und Superorganisatoren (siehe Selbstbeweihräucherung oben) eingeschritten wäre und diesen Angriff auf Leib und Leben (ohne Übertreibung) unterbunden hätten. Auf Videos, die mittlerweile im Netz zu sehen sind, ist zwar erkennbar, dass die Spacemarinchen sich auf dem Nachbargelände formierten, aber wohl außer Choreografien nach Art der römischen Armee zu performen, kein erkennbarer Zugriff erfolgte. Aber das war ja nur der Auftakt …
Sorry, aber über das Spiel zu berichten lohnt sich nicht. Was für eine üble Vorstellung unseres magischen FCs, das können andere besser als ich beschreiben. Ich decke darüber den Mantel des Schweigens und widme mich wieder meinem Gedächtnisprotokoll, welches vielleicht noch anderweitig Verwendung findet.
Natürlich haben wir in der 2. Halbzeit auch die Vorgänge während der Halbzeitpause erörtert und als der Stadionsprecher verkündete, dass wir nach dem Spiel schnellstens zu den Shuttlebussen gehen sollen, da keimte sowas wie Hoffnung auf ein glimpfliches Ende dieses Stadionbesuchs auf. Die Bullen würden den Heimbereich zu machen und wir sind weg, bevor man die wieder rauslässt. Aber wir haben nicht mit der Unfähigkeit oder vielleicht sogar Bösartigkeit der „Organisatoren“ gerechnet.
Nach dem Abpfiff leerte sich der Gästeblock unerwartet zügig. Spiel, Kälte und das Erlebte in der Halbzeitpause, bildeten keine Basis zum launigen Verbleiben an diesem ungastlichen Ort.
Der Vorbereich des Gästeblocks war in zwei Bereiche unterteilt, die rundherum mit Gittern umzäunt waren. Der äußere Bereich hatte links und rechts große Tore als Ein- und Ausfahrten für die Shuttlebusse. Zu dem Zeitpunkt als ich aus dem Stadioninnenraum trat, standen auf diesem Platz bereits eine große Anzahl Gästefans, die auf das Eintreffen der Busse warteten. Dieser Außenbereich wurde zum Stadion hin von einem weiteren Hofbereich getrennt, an dem die Durchgänge für die Ticket- und Sicherheitskontrolle waren.
Für Laien: Diese Eingänge dienen dazu, ankommenden Gäste zu „vereinzeln“, sind also sehr schmal. Ähnlich wie das Vieh im Schlachthof wird man beim Eintritt mit Gittern kanalisiert und steht dann einzeln flankiert von Ordnern zum Bolzenschuß, äh … Ticketkontrolle und Leibesvisitation an. Das ist beim Betreten des Stadions natürlich sinnvoll und geht i.d.R. auch ganz entspannt vonstatten. Man ist ja in dem Moment voller Vorfreude und es wird viel gescherzt und geflachst. Beim Verlassen des Stadions, werden diese Tore normalerweise zusammen mit größeren Toren geöffnet, dass die Menge sich nicht staut und schnell abfließen kann. In diesem Konstrukt war das natürlich nicht der Fall, denn dadurch konnte man den Zustrom an die Busse „regeln“. Im äußeren Bereich standen neben mehreren Zehntschaften Polizei u.a. zwei Wasserwerfer orthogonal zueinander. Der eine zielte auf den inneren Hof und Stadionzugang und der andere auf den Durchfahrtsbereich der Shuttlebusse. Alle Tore zwischen dem Außenbereich und dem Innenbereich waren geschlossen. Auf der einen Seite befand sich der Parkplatz zum Heimbereich, von welchem aus wir in der Halbzeitpause angegriffen wurden. An diesem Zaun, aber auf „unserer“ Seite stand eine Zehntschaft Polizei sowie 1-2 (?) weitere an den Toren zum Außenbereich. Es gab also quasi zwei Kessel.
Schließlich fuhren die Busse ein und füllten sich ganz schnell mit Menschen. Die Organisatoren hatten (zu diesem Zeitpunkt zumindest) ganze 6 Linienbusse mit ca. 100 Plätze für fast 2.000 Fans im Einsatz, grandiose Rechenkünstler da in Rostock. Mehr noch, da die Busse mit ca. 15 Wannen eskortiert wurden, konnten diese nur im Konvoi fahren. D.h. Einstiegs- und Sortierchaos dauerten ewig, bis die erste Ladung erstmal weggebracht werden konnte. Dieses ganze Fahrzeugskonvolut fuhr dann zum Bahnhof und anschließend wieder zurück. Es war kurz vor 23.00h und die Temperatur lag bei -4°C. Die Aussicht da schnell wegzukommen, war also völlig überzogen. Aber Fans sind keinen Luxus gewöhnt und wir machen ja alles für den Verein. Wenigstens machte das Catering Überstunden und die Toiletten blieben auch geöffnet und im Kessel selbst war es mit den ganzen Menschen um einen herum, bis auf die Eisfüße auch einigermaßen mollig. Aber leider passierte dann das Gleiche, wie zur Halbzeit. Hansafans kamen auf das Nebengelände und fingen wieder unmittelbar damit an, Pyrotechnik über den Zaun in die Menschenmenge zu werfen. Diesmal konnten wir uns nicht so einfach zurückziehen und es lag schnell ein gewisse Panikstimmung in der Luft.
Zu allem Übel hatte dann noch ein Meisterdenker unter den Cops am Zaun die sagenhafte Idee Pfefferspray über den 3 Meter hohen Zaun zu sprühen, welcher, oh Wunder, durch den Wind sofort schön über uns zurückgeweht wurde. Wir hatten fast alle Masken auf und wenn ich der Pandemie etwas Gutes abgewinnen kann, dann das. Natürlich kam es aufgrund des Pyrobeschusses und dem (mit Ansage) verunglückten Pfeffersprayeinsatzes zu einem Fluchtreflex und man kann es USP nicht hoch genug anrechnen, dass Sie (mit Erfolg) versucht haben die Menge mit ruhigem, aber bestimmten Worten und Gesten langsam und geordnet in sichere Bereiche zu lotsen was eine Panik verhinderte. Der Polizei fiel aber nichts Besseres ein, mit dem Wasserwerfer die Angreifer über unsere Köpfe hinweg zu „beregnen“. Ich erinnere daran: -4°C und keine Aussicht auf irgendetwas Erwärmendes. Zudem ließ der Geruch vermuten, dass der Wasserwerfer noch andere Substanzen versprühte. Man wusste nicht wen man in diesem Moment mehr hassen sollte. Fans die einen mit Pyrotechnik beschießen oder idiotische Polizisten.
Ein Teil der Eingekesselten flüchtet wieder Richtung Servicebereich im Stadion, ein anderer wich zurück und versuchte irgendwie in die Nähe des Außenbereiches zu kommen. Da wurde dann, ich weiß nicht auf wessen Initiative, eines der Vereinzelungstore geöffnet, und die Menge strömte in den Außenbereich. Diese „Flucht“ rief sofort die Bullen auf den Plan. Die Einheiten, die im Innenhof postiert waren, stürzten in Richtung des geöffneten Tores und auf der anderen Seite setzen sich die dortigen Einheiten in Bewegung. War das schon alles völlig sinnentleert, fing dann auch noch der Wasserwerfer an auf die Menschen zu schießen, die sich durch das Tor drängelten. Diesmal aber nicht sanft beregnet, sondern mit vollem Strahl. Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Treppe zum Servicebereich und konnte von dort die Lage komplett übersehen. Sinnloser und schädlicher konnte die Polizei nicht mehr handeln. Die Menschen wollten nur aus diesem Druck heraus und dafür wäre auch genügend kontrollierbarer Platz gewesen, aber der nicht zu begreifende Einsatz hat viele Menschen in äußerste Gefahr gebracht. Zudem scheint die Polizei auch mit körperlicher Gewalt vorgegangen zu sein, ein Bekannter, den ich einige Zeit später sah, hatte blutunterlaufene Augen und einen schlimmen Ausschlag im Gesicht. Er schilderte, dass er in der Vorwärtsbewegung von einem Pfefferspraystrahl getroffen wurde.
Ich weiß nicht, was auf der anderen Seite des Zauns passiert ist, der Beschuss hörte irgendwann auf. Wir waren zu sehr beschäftigt uns vor der Polizei in Sicherheit zu bringen, so dass wir die gegnerischen Fans und deren Ergehen nicht mehr wahrnahmen. Der Rest ist der Besonnenheit unserer Fans und USP zu verdanken, dass unser Transfer dann, eine gefühlte Ewigkeit später, einigermaßen ruhig ablief und wir wieder gut zum Bus und nach Hause gekommen sind.
Mein lieber Herr Gesangsverein, entweder waren die Einsatzkräfte Vorort durchsetzt mit völligen Kretins oder und das meine ich in vollem Ernst, haben dieses Theater absichtlich inszeniert und dies ohne Rücksicht auf Leib und Leben der Gästefans durchgezogen.
Gründe dafür gibt es viele und wer sich mit dem Kontext Fußball, Kommerz und staatlicher Repression und deren Wechselwirkungen beschäftigt, der kann locker zu dem Schluss kommen, dass es den Organisatoren zumindest nicht um Sicherheit gehen kann, von der sie ständig schwadronieren.
Nun ja, es war ein Erlebnis und schlussendlich kamen wir zwar mit beschädigtem Ego, aber körperlich vollständig wieder gegen 03:00h in Berlin an. Ob ich das nochmal mache, steht allerdings auf einem anderen Blatt Papier… Danke an meine Mitfahrer, mit Euch jederzeit gerne wieder <3!
P.S.: Ein Hoch auf unseren Busfahrer der Firma Nieder. Bernd, mit Dir immer wieder gerne!
P.P.S.: Ein ganz besonderes Hoch auf den Shuttlebusfahrer zum Stadion hin, der auf den letzten Metern Hells Bells über die Buskomm jagte und uns viel Erfolg wünschte. Auch in Rostock gibt es sehr stabile Leute!
(Wie immer gilt: Der Autor gibt seine persönliche Meinung wieder und nicht die des gesamten Fanclubs Piratenbrigade 1910 Berlin)
Nun also mal zum Fußball nach Leipzig, für mich eine Premiere. Ich liebe Leipzig, schon alleine weil ich seit über 10 Jahren dort zum WGT gehe. Sachsen wird mir immer unsympathischer und Überlegungen die in Richtung eines „Säxits“ gehen, stoßen bei mir zunehmend auf Gehör …aber nur, wenn Leipzig hier bleibt (Bayern hingegen würde ich ebenfalls gerne abgeben, allerdings auch erst nachdem sich Franken abgespalten hat).
Letzte Saison gab es ja im Vorfeld schon große Diskussionen, ob man als Fußballfan tatsächlich ein Auswärtsspiel gegen diesen …hmmm…Verein (?) besuchen kann. St. Pauli hat sich gegen den Boykott ausgesprochen, aber glücklicherweise war ich im Urlaub und konnte so guten Gewissens dem Spiel fernbleiben.
Diesmal gab’s also keine Ausrede und bevor ich nachher meine Einstellung zur Werbeveranstaltung „Rasenballsport Leipzig“ und dem was mich dabei abstößt vertiefe, hier zunächst einmal Positives und die Aktualitäten rund um die 3 verdienten Auswärtspunkte für den magischen FC.
Wie gesagt, ich mag Leipzig und die Leipziger. Ich habe ferner auch ein gewisses Verständnis dafür, dass man in einer solchen Stadt, mit einer echten Fußballtradition gerne einen Verein in einer oberen Liga hätte. Das Zentralstadion ist ein tolles Fußballstadion auch wenn es keine vernünftigen Stehplätze gibt und man ganz schön Kondition braucht bis man endlich an seinem Platz ist. Das Stadion war mit über 41.000 Zuschauern Auserkauft!. Laut Aussage des Stadionsprechers wohl zum ersten Mal in der „Geschichte“ dieses Unternehmens und das bei einem Schnitt von i.d.R. 22 – 25.000 Besuchern. Neben den knapp 5.000 Gästefans waren wohl noch etliche St. Paulianer in den Heimblöcken. Und der Großteil des „heimischen“ Publikums wollte wohl mal sehen, wie das mit dem Fußball richtig geht.
Für uns war die Anreise trotz der extrem frühen Zeit sehr bequem, für mich persönlich schon Routine, denn mein Arbeitsplatz liegt ja „dreiviertelsweg“ auf der Regionalverkehrsstrecke nach Leipzig. Unsere kleine Piratenbrigadeabordnung wuchs auch schnell auf eine größere Einheit an, natürlich zum Großteil bestehend aus den allseits bekannten Nasen aus dem heimischen Oberbaumeck.
In Leipzig angekommen wurden wir sofort von der Rennleitung empfangen. Freundlich und eher hinweisend, als reglementierend. Wir konnten uns alle am Bahnhof frei bewegen und es gab keinerlei „Kanalisierung“ wie sonst üblich. Das war nicht zu erwarten, denn es gibt zwar keinerlei nennenswerte Rivalität zu den Leipziger Fans und das Verhältnis ist eher von (einseitigem) Desinteresse geprägt, aber die Leipziger Polizei und vor allem die sie unterstützende (sächsische) Bereitschaftspolizei genießen keinen guten Ruf. Also so gesehen, Hut ab und ein Lob an die Beamten. Kein Lob hingegen für den Apparat. Gefühlte tausend Wannen und ein Hubschrauber, man kann das Geld auch zum Fenster rauswerfen. Wenn sich jemals wieder ein Politikclown dazu erdreistet, Fußballvereinen die Kosten eines Einsatzes aufzubrummen, dann kann man in jedem Fall die Rechnung kürzen. Ein Bruchteil hätte es auch getan.
Schön war, dass Shuttlebusse bereit standen, denn das Stadion ist doch ein Stück weit entfernt und nicht so trivial zu erreichen, wenn man sich nicht auskennt. Natürlich fuhren die Busse mit Eskorte, wie es sich für Staatsgäste gehört. Auf dem Hinweg sogar mit einem effektiven Räummotorrad, das hätten wir uns auch auf dem Rückweg gewünscht, denn die mittlerweile heiße Mittagssonne setze uns dann doch zu.
Nach dem kleinen Fußmarsch entlang dem Elsterbecken, kamen wir am Stadion an, wo wir mit großem Hallo die übrigen bekannten Hamburger, Leipziger, Berliner und sonstige braun-weißen Gelichter begrüßten. Ein Sterni-Verkäufer mit eiskalter Ware war perfekt positioniert und machte den Umsatz seines Lebens. Und das Schöne an Stadionbesuchen ist einfach, dass es manchmal auch nette Überraschungen mit den dazugehörigen Bildern gibt ….
Wie schon erwähnt, ist das Erreichen des Blocks nur mit einem gewissen Maß an Kondition zu bewältigen. So schön das aussieht, bei dementsprechenden Temperaturen ist man bei der Ankunft gleich mal durch mit den Textilien. Glück für uns, dass der Gästeblock die ganze Zeit im Schatten lag und ein angenehmer Wind durch das Stadion pfiff. Klimatisch ein absoluter Glücksfall.
Interessanterweise gibt es wider Erwarten im Stadion keine Werbung, aber das ist eigentlich auch nicht erstaunlich, da ja dieser „Event“ eine einzige Werbeveranstaltung ist. Klar, dass auch eines dieser albernen Plüschmaskottchen rumspringt. Der Einlauf der Mannschaft hört sich an, wie der Vorspann eines alten Sandalenschinkens im Kino und die Choreo der Heimfans mit Meister Yoda und einem Sinnspruch, der an irgendein Gemeinschaftsgefühl appellieren sollte, nett aber substanzlos angesichts der nicht vorhandenen Geschichte des verkauften SSV Markranstädt. Vor dem Anstoß gab’s auch noch eine Gedenkminute für den kürzlich verstorbenen Mayer-Vorfelder. Der Gästeblock beteiligte sich daran nicht, Respekt vor einem Toten reicht nicht für das, was ein MV zu Lebzeiten an Mist gebaut hat.1.
Dann aber Anpfiff und das Ergebnis wissen wir ja bereits. Es war ein Kampfspiel, auf beiden Seiten. Das Tor von Thy kurz vor der Halbzeit war verdient, gut herausgespielt, dennoch überraschend. Zu diesem Zeitpunkt neutralisierten sich beide Mannschaften eher. Zwar hatte RB mit einem Pfostenschuss die höherprozentige Torchance. Die Boys in brown waren aber insgesamt aggressiver, zielstrebiger und hatte mehr Chancen den Führungstreffer zu erzielen, was ja dann auch folgerichtig passierte. Nach der Halbzeit ging es im Prinzip so weiter. RB eher harmlos, der magische FC mit einer einwandfreien Abwehrleistung. Was mich jedoch irgendwann noch in den Wahnsinn treibt, ist die immer zunehmende Schludrigkeit im Angriffsspiel nach der (knappen) Führung. Es werden dann zu viele Chancen leichtfertig vergeben, Spielzüge buchstäblich sorglos versaut. Normalerweise geht das ja schief. Ich schätze unsere Mannschaft als nicht so glücklich ein, einen knappen Vorsprung über eine längere Zeit zu halten. Auch bei einer wirklich guten Abwehrleistung reicht eine Unaufmerksamkeit, ein Querschläger und schon fängt man wieder von vorne an, bzw. baut den Gegner auf. Diese Nachlässigkeiten im Angriff kann man sich erlauben, wenn man mit 2-3 Toren führt. Aber sinnlose Ballverluste durch Pässe ins Leere bringen nichts, noch nicht mal Zeit. Dennoch will ich nicht meckern. Sie haben es sehr gut verteidigt und auch (im Nachhinein betrachtet) ungefährdet überstanden. Auch die völlig sinnlosen 5 (!) Minuten Nachspielzeit, welche nur durch irgendwelche Verschwörungstheorien zu rechtfertigen waren, wurden souverän und abgeklärt heruntergespielt, zudem hätte man auch hier durchaus noch den Sack zumachen können.
Aber alles vergessen, es war eine gelungene Vorstellung und eine Genugtuung gegenüber dieser Veranstaltung namens RB Leipzig. Mit all deren Kohle kochen die schlussendlich auch nur mit Wasser.
Die Rückfahrt nach Berlin war eher ereignislos, aber freudestrahlend und die 3 Punkte erfüllten unsere Herzen…
Ja, „Rasenballsport Leipzig“. Wo liegt der Unterschied zu Leverkusen, Hoffenheim oder den VW-Vereinen Bauern, Wolfsburg und Ingolstadt, sowie einer HSV AG ohne 50+1 Beschränkung? Eigentlich keiner, es ist nur die vorläufig letzte Perversion der Kommerzialisierung des Fußballs in Deutschland2. Bei allem Antikapitalismus meinerseits, ist es nicht mal so sehr die Geschäftemacherei mit dem „Freizeitvergnügen Fußball“, was mich stört.3 Vielmehr stößt mich die Art und Weise ab, wie etwas in eine völlig stumpfsinnige Beliebigkeit verwandelt wird.
„Beliebigkeit“, ich muss das erklären, denn es erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Beliebigkeit ist für mich gleichbedeutend mit Stillstand, Nichtengagement, Gedankenlosigkeit, Gleichschaltung, Manipulierbarkeit, Kritiklosigkeit und alles was daraus für diese Gesellschaft erwächst. Beliebigkeit, das sind für mich z.B. auch „gemischte“ Musikfestivals, bei denen Hiphopper neben Metalbands spielen und sich elektronische DJ-Sets mit handgemachtem Punkrock abwechseln. Der Veranstalter hat dabei eine Rechnung: Ein „Musikstil“ hat 10.000 Fans, also müssen 4 „Musikstile“, 40.000 (zahlende) Fans haben. Beliebigkeit ist auch, wenn einem die Fresse von Reichsbürger Naidoo von zig Werbeplakaten entgegengrinst und Vox eine weitere ebenfalls völlig beliebige Castingshow mit diesem Idioten produziert und Konzertbesucher mit Schulterzucken oder „Ja, aber…Floskeln“ die Finanzierung dieses Scharlatans verteidigen. Beliebigkeit ist es, wenn man Nazis, Rassisten, Homophobe, etc. relativiert, indem man sofort über „Linke Chaoten und Extremisten“ schwadroniert, die ja “ auch nicht besser sind“. …
Schwarz- und Weißmalerei ist schlecht, aber noch schlechter ist grau ohne jegliche Kontur, ohne Kante, ohne Worte die zum Nachdenken anregen, nur graues Rauschen, Einheit, Uniformität…für diese Beliebigkeit, für das „ist doch egal, alles schick“ ist Rasenballsport Leipzig ein weiteres Synonym. Für sich genommen harmlos, zusammen mit dem Geist, der sich dahinter verbirgt, gefährlich.
Red Bull wollte St. Pauli kaufen! „Ihr steht doch auch für Coolness, Party, feiern und so“ …das als „Gemeinsamkeit“ mit einem zum Kotzen schmeckenden Gesöffs eines geschäftigen Österreichers? Dahinter steht: keine Kritik mehr am System und/oder an der Gesellschaft. Keine Ambitionen mehr auf eine bessere Welt. Kopf zu machen, sich beherrschen lassen, nicht mehr nachdenken. Keine Opposition mehr, ruhig gestellt durch Konsum, finanziert durch 1-2 prekär bezahlte Vollzeitjobs, aber dafür bekommen wir „Party“ rund um die Uhr…