Hört endlich auf zu lügen!

Diese Pressemitteilung der Rostocker Polizei könnt Ihr getrost als Lüge abheften und diejenigen, die das abschreiben sind Vollidioten!

Dass sich Hansa-Fans und wir uns nicht liebhaben, ist der älteste Hut der Welt. Ich könnte jetzt endlos darüber schwadronieren, warum das so ist, aber hier die (stark vereinfachte und schwarz-weiße) Kurzform: 87% der Hansa-Fans sind wahrscheinlich völlig i.O. und man könnte in sportlicher Rivalität verbunden sein, aber 13% sind Vollidioten, von denen sich dieser Kackverein nie wirklich distanziert hat. Wie auch immer, im Jargon der Staatsmacht heißt sowas dann eben „Hochrisikospiel“ und ist eine willkommene Gelegenheit mal das gesamte Repressionequipement zu entstauben und in Bürgerkriegsmanier zu platzieren. Zusammen mit einem (laut Verlautbarung) Personalaufwand von 1.450 Träger*innen hoheitlicher Gewalt, davon ca. 99,9% vertrauenserweckend gekleidet wie Lord Helmchens Spacemarines für die 1:1 Betreuung der anreisenden Fans. Das Ganze noch mit Hub-Hub-Hubschraubereinsatz, aber wenn interessiert schon Klimakatastrophe und hohe Spritpreise.

Anstoß um 20.30h, damit die Pyroshow noch besser in Szene gesetzt wird und sich Sky- und DSF-Reporter wieder mit Kriegsrhetorik profilieren und DFL und Innenminister ihrem Ziel Ticketpersonalisierung (Überwachung) und 100% Sitzplätze (teurer – mehr Profit) wieder einen Millimeter näherkommen.

Gut, fairerweise ist 20.30h für Auswärtsfahrer wie uns nicht so schlecht, denn man muss nicht zu nachtschlafender Zeit aufstehen und schon zum Frühstück Bier trinken. Zumal Berlin – Rostock in etwa die gleiche (zeitliche) Entfernung aufweist wie Grünau – Spandau mit dem ÖPNV.

Die Anreise war kurzweilig und die Ankunft in Rostock unproblematisch. Wir waren etwas spät (nicht zu spät), deshalb war der Einstieg und Transfer zum Stadion mit den Shuttlebussen auch relativ entspannt. Dass man Busse zu Pandemiezeiten vollstopfen muss, anstatt einfach einen mehr hinzustellen, nun gut … Herr Lauterbach, bei der nächsten Pandemie bilden Sie bitte ein Superministerium mit dem Innenresort, denen ist nämlich unsere Gesundheit von jeher scheißegal. St. Pauli-Fans sind alle geimpft und geboostert, da hat unser Verein nie einen Kompromiss gemacht, warum auch? Wir passen eben aufeinander auf und schützen uns und andere (im Gegensatz zu siehe oben). Dann hinein ins Stadion und da beginnt gleich die erste Grütze …

Im Ostseestadion befinden sich Heimfans und Gästefans in der gleichen Kurve (ich habe mir sagen lassen, dass das in Sandhausen auch so ist, aber hey, da trinkt man vermutlich auch Wein, statt Bier im Stadion). Getrennt durch eine blickdichte Plexiglasscheibe, die ca. 50-100 Gästefans dermaßen sichtbehindert, dass ein kompletter Torraum nicht einzusehen ist. Für diesen Unsinn zahlt man aber den gleichen Preis, wie für den Rest des Blocks. Danke für nichts, kann man da nur sagen. Diese Idiotie führt dann eben genau zu dem, was dann passierte:

Der Catering- und Toilettenbereich des Gästefanblocks, wird durch eine Garagentorkonstruktion aus Aluminium vom Block der Heimfans getrennt und anscheinend gibt es auf deren Seite keine Ordner oder sonstiges Sicherheitspersonal. Also begann unmittelbar neben dem Cateringstand ein infernalischer Lärm, den Hansafans mit Tritten und Schlägen gegen eben jenes Garagentor hervorriefen. In einem Horrorfilm würde man jeden Moment das Brechen des Tores annehmen und eine Herde Zombies strömt aus dem Durchbruch. Ich kann die Stabilität des Tores nicht einschätzen, aber die beständige Lärmkulisse war dermaßen bedrohlich, dass sich die Menge der Gästefans immer mehr auf die andere Seite verlagerte. Neben dem Cateringsstand war dann auch noch die Damentoilette und auch hier war zu spüren, dass das Bedrohungsgefühl immer stärker wurde. Plötzlich flogen Leuchtkugeln und Böller in die Menge, diese wurde offensichtlich vom Gelände unterhalb des Heimblocks nach oben in den Servicebereich des Gästeblock geworfen. Die Leuchtkugeln trafen auch Personen, aber zum Glück nur an der Kleidung und ohne diese zu entzünden. Mehrere Böller explodierten in dem überdachten Bereich und verursachten (vorübergehende?) Hörschäden. Die Menge flüchtete dann mehrheitlich auf die andere Seite des Servicebereichs oder in die Toiletten. Ein Teil ging zurück in den Innenraum und ein Teil flüchtetet nach unten in den ersten Vorhof, von welchem sie auch vom Nachbargelände aus mit Pyrotechnik beschossen wurden. Zwei Zehntschaften Polizei hielten es nicht für notwendig sich um die Verursacher zu kümmern, sondern standen entweder passiv herum oder waren damit beschäftigt Gästefans zu drangsalieren. Auch die Ordner im Servicebereich machten keine Anstalten irgendetwas zu unternehmen, obwohl sie offensichtlich über ein Kommunikationssystem verbunden waren.

Ich war zu diesem Zeitpunkt zwischen Servicebereich und Vorhof, also mittendrin und versuchte mit einigen anderen allzu hitzige eigene Fans zu beruhigen. Es wird aus den eigenen Reihen berichtet, dass St. Pauli Fans Böller zurückgeworfen hätten. Das habe ich nicht beobachtet, aber kann es auch nicht bestreiten. Nur so viel: Wir hatten mit dem Servicebreich und den Toiletten ein räumlich sehr begrenztes und überdachtes Areal zum Ausweichen, die Angreifer hingegen einen kompletten Parkplatz. Wenn hier also von „gegenseitigem Bewerfen“ die Rede ist, dann wird hier ein sehr ungleiches Bild gezeichnet. Die Hansafans beschossen ein Menschenmenge.

(Einwurf: Gerechterweise muss man natürlich sagen, dass es auch bei unseren Fans Idioten gibt, die Ihren Machismo in solchen Momenten voll ausleben. Natürlich ist es kindisch als Reaktion auf die Gewalteinwirkung auf das Garagentor, da auch noch dagegenzutreten. Die zwei Deppen wurden aber relativ schnell eingehegt. Ebenso ist es ziemlich lächerlich auf einen Zaun zu klettern und so zu tun, als wolle man einen Gegenangriff starten, dabei aber einsehen muss, dass man nicht mal so eben neun Meter runterspringen kann und dann stattdessen auf einen Wellblechverschlag einprügelt. Was ist der Sinn? Rasseln gegen Dämonen?

Und ja, Pyrotechnik zurückwerfen ist auch nicht wirklich schlau, wenn es denn so gewesen ist. Sich und die eigenen Fans zu verteidigen, dass rechne ich USP hoch an, aber die paar Trottel, die meinen im Stadion ein Ackermatch austragen zu wollen, sollten sie besser selbst einfangen.)

Der ganze Beschuss hielt etwa 10 Minuten an, ohne dass irgendjemand der Spitzenbullen und Superorganisatoren (siehe Selbstbeweihräucherung oben) eingeschritten wäre und diesen Angriff auf Leib und Leben (ohne Übertreibung) unterbunden hätten. Auf Videos, die mittlerweile im Netz zu sehen sind, ist zwar erkennbar, dass die Spacemarinchen sich auf dem Nachbargelände formierten, aber wohl außer Choreografien nach Art der römischen Armee zu performen, kein erkennbarer Zugriff erfolgte. Aber das war ja nur der Auftakt …

Sorry, aber über das Spiel zu berichten lohnt sich nicht. Was für eine üble Vorstellung unseres magischen FCs, das können andere besser als ich beschreiben. Ich decke darüber den Mantel des Schweigens und widme mich wieder meinem Gedächtnisprotokoll, welches vielleicht noch anderweitig Verwendung findet.

Natürlich haben wir in der 2. Halbzeit auch die Vorgänge während der Halbzeitpause erörtert und als der Stadionsprecher verkündete, dass wir nach dem Spiel schnellstens zu den Shuttlebussen gehen sollen, da keimte sowas wie Hoffnung auf ein glimpfliches Ende dieses Stadionbesuchs auf. Die Bullen würden den Heimbereich zu machen und wir sind weg, bevor man die wieder rauslässt. Aber wir haben nicht mit der Unfähigkeit oder vielleicht sogar Bösartigkeit der „Organisatoren“ gerechnet.

Nach dem Abpfiff leerte sich der Gästeblock unerwartet zügig. Spiel, Kälte und das Erlebte in der Halbzeitpause, bildeten keine Basis zum launigen Verbleiben an diesem ungastlichen Ort.

Der Vorbereich des Gästeblocks war in zwei Bereiche unterteilt, die rundherum mit Gittern umzäunt waren. Der äußere Bereich hatte links und rechts große Tore als Ein- und Ausfahrten für die Shuttlebusse. Zu dem Zeitpunkt als ich aus dem Stadioninnenraum trat, standen auf diesem Platz bereits eine große Anzahl Gästefans, die auf das Eintreffen der Busse warteten. Dieser Außenbereich wurde zum Stadion hin von einem weiteren Hofbereich getrennt, an dem die Durchgänge für die Ticket- und Sicherheitskontrolle waren.

Für Laien: Diese Eingänge dienen dazu, ankommenden Gäste zu „vereinzeln“, sind also sehr schmal. Ähnlich wie das Vieh im Schlachthof wird man beim Eintritt mit Gittern kanalisiert und steht dann einzeln flankiert von Ordnern zum Bolzenschuß, äh … Ticketkontrolle und Leibesvisitation an. Das ist beim Betreten des Stadions natürlich sinnvoll und geht i.d.R. auch ganz entspannt vonstatten. Man ist ja in dem Moment voller Vorfreude und es wird viel gescherzt und geflachst. Beim Verlassen des Stadions, werden diese Tore normalerweise zusammen mit größeren Toren geöffnet, dass die Menge sich nicht staut und schnell abfließen kann. In diesem Konstrukt war das natürlich nicht der Fall, denn dadurch konnte man den Zustrom an die Busse „regeln“. Im äußeren Bereich standen neben mehreren Zehntschaften Polizei u.a. zwei Wasserwerfer orthogonal zueinander. Der eine zielte auf den inneren Hof und Stadionzugang und der andere auf den Durchfahrtsbereich der Shuttlebusse. Alle Tore zwischen dem Außenbereich und dem Innenbereich waren geschlossen. Auf der einen Seite befand sich der Parkplatz zum Heimbereich, von welchem aus wir in der Halbzeitpause angegriffen wurden. An diesem Zaun, aber auf „unserer“ Seite stand eine Zehntschaft Polizei sowie 1-2 (?) weitere an den Toren zum Außenbereich. Es gab also quasi zwei Kessel.

Schließlich fuhren die Busse ein und füllten sich ganz schnell mit Menschen. Die Organisatoren hatten (zu diesem Zeitpunkt zumindest) ganze 6 Linienbusse mit ca. 100 Plätze für fast 2.000 Fans im Einsatz, grandiose Rechenkünstler da in Rostock. Mehr noch, da die Busse mit ca. 15 Wannen eskortiert wurden, konnten diese nur im Konvoi fahren. D.h. Einstiegs- und Sortierchaos dauerten ewig, bis die erste Ladung erstmal weggebracht werden konnte. Dieses ganze Fahrzeugskonvolut fuhr dann zum Bahnhof und anschließend wieder zurück. Es war kurz vor 23.00h und die Temperatur lag bei -4°C. Die Aussicht da schnell wegzukommen, war also völlig überzogen. Aber Fans sind keinen Luxus gewöhnt und wir machen ja alles für den Verein. Wenigstens machte das Catering Überstunden und die Toiletten blieben auch geöffnet und im Kessel selbst war es mit den ganzen Menschen um einen herum, bis auf die Eisfüße auch einigermaßen mollig. Aber leider passierte dann das Gleiche, wie zur Halbzeit. Hansafans kamen auf das Nebengelände und fingen wieder unmittelbar damit an, Pyrotechnik über den Zaun in die Menschenmenge zu werfen. Diesmal konnten wir uns nicht so einfach zurückziehen und es lag schnell ein gewisse Panikstimmung in der Luft.

Zu allem Übel hatte dann noch ein Meisterdenker unter den Cops am Zaun die sagenhafte Idee Pfefferspray über den 3 Meter hohen Zaun zu sprühen, welcher, oh Wunder, durch den Wind sofort schön über uns zurückgeweht wurde. Wir hatten fast alle Masken auf und wenn ich der Pandemie etwas Gutes abgewinnen kann, dann das. Natürlich kam es aufgrund des Pyrobeschusses und dem (mit Ansage) verunglückten Pfeffersprayeinsatzes zu einem Fluchtreflex und man kann es USP nicht hoch genug anrechnen, dass Sie (mit Erfolg) versucht haben die Menge mit ruhigem, aber bestimmten Worten und Gesten langsam und geordnet in sichere Bereiche zu lotsen was eine Panik verhinderte. Der Polizei fiel aber nichts Besseres ein, mit dem Wasserwerfer die Angreifer über unsere Köpfe hinweg zu „beregnen“. Ich erinnere daran: -4°C und keine Aussicht auf irgendetwas Erwärmendes. Zudem ließ der Geruch vermuten, dass der Wasserwerfer noch andere Substanzen versprühte. Man wusste nicht wen man in diesem Moment mehr hassen sollte. Fans die einen mit Pyrotechnik beschießen oder idiotische Polizisten.

Ein Teil der Eingekesselten flüchtet wieder Richtung Servicebereich im Stadion, ein anderer wich zurück und versuchte irgendwie in die Nähe des Außenbereiches zu kommen. Da wurde dann, ich weiß nicht auf wessen Initiative, eines der Vereinzelungstore geöffnet, und die Menge strömte in den Außenbereich. Diese „Flucht“ rief sofort die Bullen auf den Plan. Die Einheiten, die im Innenhof postiert waren, stürzten in Richtung des geöffneten Tores und auf der anderen Seite setzen sich die dortigen Einheiten in Bewegung. War das schon alles völlig sinnentleert, fing dann auch noch der Wasserwerfer an auf die Menschen zu schießen, die sich durch das Tor drängelten. Diesmal aber nicht sanft beregnet, sondern mit vollem Strahl. Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Treppe zum Servicebereich und konnte von dort die Lage komplett übersehen. Sinnloser und schädlicher konnte die Polizei nicht mehr handeln. Die Menschen wollten nur aus diesem Druck heraus und dafür wäre auch genügend kontrollierbarer Platz gewesen, aber der nicht zu begreifende Einsatz hat viele Menschen in äußerste Gefahr gebracht. Zudem scheint die Polizei auch mit körperlicher Gewalt vorgegangen zu sein, ein Bekannter, den ich einige Zeit später sah, hatte blutunterlaufene Augen und einen schlimmen Ausschlag im Gesicht. Er schilderte, dass er in der Vorwärtsbewegung von einem Pfefferspraystrahl getroffen wurde.

Ich weiß nicht, was auf der anderen Seite des Zauns passiert ist, der Beschuss hörte irgendwann auf. Wir waren zu sehr beschäftigt uns vor der Polizei in Sicherheit zu bringen, so dass wir die gegnerischen Fans und deren Ergehen nicht mehr wahrnahmen. Der Rest ist der Besonnenheit unserer Fans und USP zu verdanken, dass unser Transfer dann, eine gefühlte Ewigkeit später, einigermaßen ruhig ablief und wir wieder gut zum Bus und nach Hause gekommen sind.

Mein lieber Herr Gesangsverein, entweder waren die Einsatzkräfte Vorort durchsetzt mit völligen Kretins oder und das meine ich in vollem Ernst, haben dieses Theater absichtlich inszeniert und dies ohne Rücksicht auf Leib und Leben der Gästefans durchgezogen.

Gründe dafür gibt es viele und wer sich mit dem Kontext Fußball, Kommerz und staatlicher Repression und deren Wechselwirkungen beschäftigt, der kann locker zu dem Schluss kommen, dass es den Organisatoren zumindest nicht um Sicherheit gehen kann, von der sie ständig schwadronieren. 

Nun ja, es war ein Erlebnis und schlussendlich kamen wir zwar mit beschädigtem Ego, aber körperlich vollständig wieder gegen 03:00h in Berlin an. Ob ich das nochmal mache, steht allerdings auf einem anderen Blatt Papier… Danke an meine Mitfahrer, mit Euch jederzeit gerne wieder <3!

P.S.: Ein Hoch auf unseren Busfahrer der Firma Nieder. Bernd, mit Dir immer wieder gerne!

P.P.S.: Ein ganz besonderes Hoch auf den Shuttlebusfahrer zum Stadion hin, der auf den letzten Metern Hells Bells über die Buskomm jagte und uns viel Erfolg wünschte. Auch in Rostock gibt es sehr stabile Leute!